Im Wandel der Stile und Moden der letzten ca. 100 Jahre kann man feststellen, daß Architektur und Interieur tendenziell immer strenger, funktionaler und emotionsloser geworden sind. Die modernen Wohnbereiche erscheinen heute oft als kühle LED-Räume mit weißen Wänden, großformatigen, plakativ-farbigen Bildern, skelettierten Stahlrohrstühlen und Glastischen, gewaltigen, unifarbenen Polsterlandschaften, umgeben von diversen technischen Geräten.
Das stereotype, sachlich-kühle, technisch-funktionale Interieur zieht sich inzwischen durch alle Lebensbereiche – vom Eigenheim zum Büro bis in die Hotels. Es scheint als Beweis für ein modernes, erfolgreiches, zukunftsorientiertes Leben zu stehen.
Man fragt sich, ob da nicht irgendetwas fehlt?
In diesem Zusammenhang lohnt es sich einmal auf das Leben der großen Potentaten der Vergangenheit zu schauen. Die Vorstellung, diese Leute hätten glücklich und zufrieden in der kühlen Pracht ihrer Prunkräume gelebt, entspricht nicht der Wirklichkeit. Sie hatten meist ein gemütliches Refugium in das man sich nach den Staatsgeschäften zurückziehen konnte. Der russische Zar Nikolaus I. und seine Frau Alexandra Fjodorowna nutzten als Eigenheim ein sog. „Cottage“ in Peterhof, im englischen Landhausstil mit klassizistischen Möbeln geschmackvoll eingerichtet.
Es würde sich lohnen den Versuch zu wagen, in ein zeitgenössisches Interieur etwas Charme und historischen Geschmack zu bringen.
Der Charme und der Wert historischer Objekte steht und fällt mit ihrer Oberfläche. Sind die Spuren der Zeit beseitigt, ist der Gegenstand für den Connaisseur und Sammler eine Beleidigung seiner Geschmacksempfindung. Sie sind für ihn wertlos. Der Wertverfall vieler deutscher Möbel ist auch ihrem katastrophalen Oberflächen-Zustand geschuldet. Viel zu oft wurden diese schönen Objekte brutal abgeschliffen und somit ihres Charmes beraubt.
Otto von Mitzlaff